Kolumne - 28.06.2017

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Unser Dorf hat Zukunft


Wie jeden Morgen, wenn ich zur Arbeit fahre, klappert mein Auto über die riesigen Pflastersteine in Reichenberg. Sieht man dort für gewöhnlich selten eine Menschenseele, ist heute reges Treiben. Hauptsächlich alte Leute schleichen, gebeugt von der vielen Arbeit in ihrem Leben, mit einer großen Einkaufstasche zur Bushaltestelle. Dort in der Nähe parkt das Fahrzeug einer Bäckerei und verkauft aus dem Wagen heraus Brot, Brötchen und Kuchen. Sie sind froh über diesen Service, auch wenn die Lebensmittel teurer sind und sehr viel weniger Auswahl geboten wird, als in einem geordneten Lebensmittelgeschäft. Was würden sie tun, würde es diese mobilen Brot- und Wurstgeschäfte nicht geben?

Wie ich so langsam an diesem Geschehen vorbeiholpere, erinnere ich mich an eine Pressemitteilung, die ich kürzlich las:

"Landrat Gernot Schmidt ruft zum 10. Kreiswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" auf".

Haben Sie davon gehört?

In der Beschreibung zur Ausschreibung steht: "Der beliebte Dorfwettbewerb würdigt die Dorfentwicklung und die Bewahrung historischen Erbes ebenso wie das Miteinander in der Gemeinschaft. Schwerpunkte des aktuellen Wettbewerbs sind unter anderem Aktivitäten im Bereich der ländlichen Wirtschaft, die bauliche Gestaltung, das Zusammenleben der Generationen, ein aktives Vereinsleben und Angebote zur Sicherung der Lebensqualität."

Toll. Da wird mir richtig warm ums Herz.

Ganz bewusst haben wir uns vor 4 Jahren entschieden, in ein Haus auf dem Land zu ziehen. Etwa 20 km östlich Strausbergs kann man noch so richtig Landluft schnuppern, die Ruhe sowie das Glück üppiger Natur und ein herzliches Gemeinschaftsleben genießen. Tatsächlich. Unsere Erwartungen wurden bei Weitem übertroffen. Noch nie wurden wir so herzlich in einer Gemeinschaft aufgenommen. Einst völlig Fremde, fühlen wir uns heute, als wären wir dort geboren. Weniger als 200 Einwohner zählt das Dorf und alle halten zusammen. Jeder sorgt sich um den anderen. Muss irgendwo angepackt, etwas Schweres transportiert oder herbeigeschafft werden oder fehlt es an irgendetwas… man kann sich auf seine Nachbarn verlassen. Hier ist es sogar noch üblich Krankenbesuche zu machen, den Kranken zu bekochen oder ihm während seiner Krankheit auf dem Hof wichtige Arbeiten abzunehmen.

So ein herzliches und fürsorgliches Verhalten kannte ich bis dahin nicht. Ein Glücksfall? Leben hier andere Menschen, als anderswo? Nein. Ganz sicher nicht. Nur haben diese Menschen gelernt, weit weg von allen versorgenden Angeboten, wie Lebensmittelgeschäft, Arzt, Amt, Apotheke, Tankstelle, Kindergarten, Schule, Werkstatt, Gasthof, und, und, und… diese komplett nicht vorhandene Infrastruktur zu kompensieren, indem sie sich aufeinander verlassen und sich gegenseitig helfen. Leider hilft da kein Amt und auch kein Wettbewerb. Alles, was in diesem kleinen Dorf gewachsen ist, gibt es allein durch den Einsatz der dort lebenden Menschen.

Dank des hohen Engagements der Einwohner ist die Lebensqualität tatsächlich recht passabel. Sollte sich jetzt unser Dorf an dem Wettbewerb beteiligen?



Redaktion strausberg-live.de


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