Geschichten von Damals

Damals war's
Der Fischerkietz


Der Siedlungsteil am Westrand der Altstadt, direkt am Straussee, hat seine Entstehung dem Bau der markgräflichen Burg um 1225 zu verdanken. Fisch gehörte zur Versorgung der Burgbesatzung und wurde zum Haupterwerbszweig der Kietzbewohner. In kleinen Hütten, zugleich Wohn- und Arbeitsstätte, lebten die Fischer. Eine schmale, steile Gasse zwischen der heutigen Kloster- und Georg-Kurtze-Straße war der einzige Zugang, an deren unterem Ende sich die Kietzer Pforte befand.

Oft kam es zu Streitereien zwischen Dominikanerkloster, Fischerkietz und Stadt, die sich erst legten, als die Leute des Fischerkietzes für das Dominikanerkloster arbeiteten. Unter dessen Schutz stehend, bildeten sie eine feste Einheit. Somit waren Zwistigkeiten zwischen Stadt und Kloster samt Fischerkietz vorprogrammiert. Eines Tages wollten die Ratsherren ihren Einfluss auf das Kietz erweitern, indem sie Bier gegen Fische tauschten. Die Stadtoberen legten willkürlich fest, dass der Braumeister des Klosters, Herr Röbel, den Kietzern pro Jahr nur 2 Tonnen des Gerstensaftes geben durfte und im Gegenzug die benötigten Fische erhielt. Den Rest würden die städtischen Braumeister liefern. Sie witterten ein neues Absatzgebiet. Röbel prozessierte und im Urteil der `Taxe des Klosters zu Strausberg von 1724` wurde das Gesetz aberkannt.

Andererseits beschwerten sich die Fischer beim Kurfürsten, weil sie vom Rat der Stadt aufgefordert wurden, zuerst ihren Fisch an die Strausberger zu verkaufen und dann an Fremde. Außerdem setzten die Stadtoberen gegen jedes Recht und Gesetz einen neuen Fischer ein. Im Urteil des Kammergerichts stand: Die Fischer dürfen erst an Fremde verkaufen, wenn die Einheimischen nichts mehr wollen und Welse, damals als Herrenfisch bezeichnet, waren den Ratsherren vorbehalten. Der von der Stadt ernannte Fischer musste seine Tätigkeit einstellen. Im Jahre 1616 erhielt das Fischerkietz von der Stadt einen Bürgermeister mit zwei Beisitzern für Schlichtungen zugeteilt. Ein Innungsstatut bestätigte die Selbstverwaltung. Jeden Abend schlossen die Kietzer ihre Pforte zur Sicherheit. Steuern und Abgaben an die Stadt mussten die Bewohner weiterhin leisten.

Das Leben der Leute war rau und hart. Ihre Existenz wurde nicht nur durch den 30-jährigen Krieg stark bedroht. Es gab keine Netze und Garne mehr zu kaufen. Ab dem 19. Jahrhundert begehrten betuchte Leute die idyllische Gegend und verdrängten die bis dahin mehr schlecht als recht lebenden Fischer. Ein Fabrikgebäude entstand und 1896 das erste Strausberger Elektrizitätswerk, das kurzzeitig 800 Lampen in der Altstadt versorgte.

Erwähnenswert ist die 1906 wenige Meter vom See entfernt erbaute Fabrikantenvilla des Kietzes, die mehrmals den Besitzer wechselte. Unter anderem siedelte Herr Oswald Schulz seine Färberei und Reinigung bis zum Tode dort an. Nachfolgend war das Gebäude im Besitz von Erben und später gehörte es einer Getränkeabfüllung. Bis zur Schlosserei war alles vertreten. Wieder 1930 in Privatbesitz einer jüdischen Witwe, musste das Haus wegen Überschuldung versteigert werden. Die städtische Sparkasse Strausberg bekam den Zuschlag für das gesamte Areal und die Stadt verwaltete es in der Vor- und Kriegszeit. Im Jahre 1957 lebten 102 Leute im Fischerkietz. In den 60er und 70er Jahren hatten die PGH `Einigkeit` und die GST ihren Sitz in der ehem. Villa, ehe 1977 die Bibliothek einzog.

Bis 1997 war das Kietz voller Leben. Dann kehrte langsam Ruhe ein. Die Feuchtigkeit setzte den Büchern zu, ein Umzug der Bibliothek stand an. Eher durch Zufall wurde die EWE Aktiengesellschaft Oldenburg auf die Gebäude und die alte Villa aufmerksam und kaufte das gesamte Terrain. Die Restaurierung der alten Villa nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erfolgte. Mehrere der zum Teil Jahrhunderte alten Häuser wurden in dreijähriger Tätigkeit rekonstruiert, andere Gebäude neu gebaut und 2003 einem sehr schönen Zweck zugeführt - der Gastronomie, der Gastlichkeit, Erholung und Bildung. Ein Besuch im Restaurant & Tagungszentrum `Am Fischerkietz` ist zu jeder Jahreszeit interessant.

Quelle: `Ein Spaziergang durch die Zeit` erstellt von Schülern des Th.-Fontane-Gymnasiums (EWE)

Wir danken Frau Karlsohn vom Heimatmuseum für ihre Unterstützung.

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