Verkehrsunfallbilanz in Brandenburg - 24.02.2021

Nachrichten
Verkehrsunfallbilanz in Brandenburg
Historischer Tiefststand bei Verkehrsverletzten


Sinkende Zahlen auch bei Verkehrsunfällen, aber mehr Verkehrsunfalltote als 2019


Potsdam – Im vergangenen Jahr sind in Brandenburg so wenige Menschen bei Verkehrsunfällen verletzt worden wie seit Bestehen des Landes nicht. Insgesamt wurden rund 10.100 Verkehrsverletzte gezählt. Auch die Zahl der Verkehrsunfälle ging deutlich auf rund 71.700 Unfälle zurück. Dagegen stieg die Zahl der Verkehrsunfalltoten nach einem Rückgang 2019 im vergangenen Jahr wieder auf 140 Menschen an. Das sind wesentliche Ergebnisse der vorläufigen Verkehrsunfallbilanz, die Innenminister Michael Stübgen, Verkehrsminister Guido Beermann und Polizeipräsident Oliver Stepien heute in Potsdam vorgestellt haben.

Innenminister Stübgen: „Weniger Unfälle, weniger Verletzte, aber mehr Tote – die Verkehrsunfallbilanz für 2020 enthält Licht und Schatten. Seit vergangenem Jahr prägt die Pandemie unser Leben. Lockdown, Home-Office und Kontaktbeschränkungen haben die Mobilität und damit die Verkehrsunfallentwicklung beeinflusst. Die sinkenden Zahlen bei den Verkehrsunfällen und bei den Verkehrsverletzten sind eine erfreuliche Entwicklung. Umso bedauerlicher ist es, dass die Zahl der Unfalltoten wieder auf das Niveau von 2018 gestiegen ist. Todesursache Nummer 1 auf Brandenburgs Straßen bleibt die Raserei. Fast die Hälfte aller Verkehrsunfalltoten starb wegen überhöhter Geschwindigkeit. Überall wurde wegen Corona mehr Rücksicht genommen, aber leider nicht von unverbesserlichen Rasern auf unseren Straßen. Sie handeln verantwortungslos und nehmen auch auf Tempolimits keine Rücksicht – auch das belegen unsere Zahlen eindrücklich.“

Verkehrsminister Beermann: „Jeder Verkehrsunfall ist einer zu viel. Damit ihre Anzahl weiter zurückgeht, investiert das Ministerium auf allen Ebenen: Wir sorgen für sichere Infrastrukturen für alle Verkehrsteilnehmenden und unterstützen die zahlreichen Verkehrssicherheitsakteure. Mit unserer Kampagne ‚Lieber sicher. Lieber leben.‘ wollen wir die Menschen zudem für die Gefahren im Verkehr sensibilisieren. Das Thema Verkehrssicherheit geht uns alle etwas an. Die Unfallbilanz zeigt: Bei den Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern selbst liegt ein großes Potenzial, etwas zu ändern. Die Menschen haben 2020 unglaublich viel Solidarität gezeigt. Ich wünsche mir, dass sich diese Solidarität künftig stärker auf den Straßenverkehr überträgt. Das Schlüsselwort hierfür heißt Rücksicht. Und bezogen auf das eigene Verhalten eines jeden heißt es Einsicht. Die Einsicht, dass es für uns alle wichtig ist, sicher ans Ziel zu kommen. Dazu kann und muss jeder seinen Beitrag leisten.“
Polizeipräsident Stepien: „Rücksichtslosigkeit und aggressives Fahren auf Brandenburgs Straßen haben auch im letzten Jahr wieder zu Verkehrsunfällen mit schwersten Folgen geführt. Unsere Straßen sind kein Raum für aggressiven Nervenkitzel und sinnentleerte Raserei. Dabei hat gerade das Jahr 2020 gezeigt, wie wir als Gemeinschaft aufeinander Rücksicht nehmen können. Das wünsche ich mir auch viel mehr im Straßenverkehr.“

Verkehrsaufkommen 2020 in Brandenburg
Nach Analysen des MIL hat sich das Verkehrsaufkommen 2020 in Brandenburg wie auch in den anderen Bundesländern im Vergleich zum Vorjahr reduziert. Insgesamt ist der Verkehr auf Autobahnen und Bundesstraßen um etwa 12 % zurückgegangen, der Schwerverkehr auf Autobahnen nur um 3,1 %. Innerhalb von Brandenburg gab es erhebliche Schwankungen. So waren im Grenzbereich zu Polen höhere Rückgänge zu verzeichnen als in berlinnahen Räumen. Die Verkehrserhebungen zeigen auch, dass sich die Alltagsmobilität nach dem ersten Lockdown wieder relativ schnell dem alten Niveau angenähert hat.

Wesentliche Daten des Unfallgeschehens 2020 im Überblick
Die Zahl der Verkehrsunfälle ist im vergangenen Jahr nach der vorläufigen Bilanz (Stand 15.01.2021) auf 71.736 Unfälle gesunken (2019: 83.954 Unfälle; - 14,6 %). Dabei wurden 10.131 Menschen verletzt (2019: 11.854 Menschen; - 14,5 %). 140 Menschen sind bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen (2019: 125 Verkehrsunfalltote; + 12 %).

Die häufigste Unfallursache ist das Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes mit 6.920 Unfällen (2019: 8.810 Unfälle; - 21,5 %), gefolgt von den Unfallursachen Geschwindigkeit mit 4.590 Unfällen (2019: 4.679 Unfälle; - 1,9 %) und Vorfahrt mit 4.459 Unfällen (2019: 5.262 Unfällen; - 15,3 %), Alkohol mit 1.160 Unfällen (2019: 1203 Unfälle; - 3,6 %) und Drogen mit 189 Unfällen (2019: 196 Unfälle; - 3,6 %).

Im Vergleich der Unfallursachen ist ein Anstieg des prozentualen Anteils der Unfallursache Geschwindigkeit festzustellen, insbesondere bei der Betrachtung der Verkehrsunfalltoten. So erhöhte sich der Anteil Geschwindigkeit als Unfallursache bei Verkehrsunfällen mit Todesfolge von 38,4 % im Jahr 2019 auf 45,7 % im vergangenen Jahr.
Betrachtet man die Verkehrsunfälle nach den Örtlichkeiten, dann wurden im vergangenen Jahr innerorts 46.826 Unfälle registriert (2019: 53.861 Unfälle; - 13,1 %). Außerorts waren es 19.485 Unfälle (2019: 22.129 Unfälle; - 11,9 %) und auf den Bundesautobahnen 5.425 Unfälle (2019: 7.964 Unfälle; - 31,9 %). 79 Menschen starben dabei auf Landstraßen, also mehr als die Hälfte aller Verkehrsunfalltoten im Jahr 2020, 40 Verkehrsteilnehmende innerhalb geschlossener Ortschaften und 21 auf Bundesautobahnen.

Verkehrsunfälle mit Kindern sind um 4,6 % auf 718 Unfälle gesunken (2019: 753 Unfälle). Bei diesen 718 Unfällen verunglückten insgesamt 885 Kindern, davon 379 als Mitfahrer. Das sind 29,6 % weniger als im letzten Jahr (2019: 538 Kinder). Es starben zwei Kinder im Straßenverkehr (2019: drei Kinder). Die Zahl der verletzten Kinder sank um 18,2 % auf 883 (2019: 1.080 Kinder).

Durch Junge Erwachsene verursachte Verkehrsunfälle sind um 7,8 % auf 5.991 Unfälle (2019: 6.497 Unfälle) gesunken, Personenschadensunfälle um 12,2 % auf 844 Unfälle (2019: 961 Unfälle). Die Zahl der Getöteten stieg um 81,8 % auf 20 getötete junge Erwachsene (2019: elf Getötete).

Unfälle mit Seniorinnen und Senioren (Altersgruppe 65+) sind um 13,8 % auf 16.225 gesunken (2019: 18.826 Unfälle). 71,5 % oder 11.606 dieser Unfälle wurden durch Seniorinnen und Senioren selbst verursacht. Das sind 13,5 % weniger als im Jahr zuvor (2019: 13.415 Unfälle). 52 Menschen in dieser Altersgruppe wurden getötet, acht mehr als 2019 (+ 18,2 %). 1.784 Personen über 65 Jahre wurden verletzt, ein Rückgang um 8,4 % (2019: 1.947 Verletzte).

Unfälle mit Radfahrenden sind um 1,7 % von 3.897 auf 3.962 gestiegen. 51,1 % der Fahrradunfälle (2.025) wurden durch Fahrradfahrer selbst verursacht. Unter Beteiligung von Fahrradfahrern wurden 3.108 Personenschadensunfälle (2019: 2.915;+ 6,6 %) polizeilich erfasst, bei denen 3.111 Fahrradfahrer verletzt (2019: 2.916 Verletzte) und 25 getötet (2019: 22) wurden. Die Zahl der Getöteten stieg damit um 13,6 %.

Unfälle mit Motorradfahrenden sind um 1,8 % auf 1.274 gesunken (2019: 1.298 Unfälle). 57,7 % der Verkehrsunfälle (735) wurden durch Motorradfahrer selbst verursacht. Insgesamt wurden 799 Personenschadensunfälle registriert, 1,1 % weniger als 2019 (808 Unfälle). Die Zahl der getöteten Motorradfahrer stieg um 21,1 % von 19 auf 23 Todesopfer. 20 der 23 getöteten Motorradfahrer starben bei selbstverursachten Unfällen.

Die Beteiligung des Güterverkehrs an Verkehrsunfällen ist mit insgesamt 10.755 Unfällen im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen (2019: 12.833 Unfälle; - 16,2 %). Die Zahl der Personenschadensunfälle ist um 21,5 % auf 772 gesunken (2019: 984 Unfälle). Die Zahl der Getöteten stieg dagegen auf 30 (2019: 25 Getötete; + 20 %). Fast jeder dritte Verkehrsunfall auf den Bundesautobahnen ereignete sich unter Beteiligung eines Güterkraftfahrzeugs. Auf den Autobahnen wurden 2.013 Verkehrsunfälle mit Güterkraftfahrzeugen registriert. Dabei wurden 185 Personenschadensunfälle erfasst, 39,5 % weniger als im Vergleich zu 2019. Die Zahl der Getöteten unter Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen auf Bundesautobahnen ist von 6 auf 13 (+ 116,7 %) gestiegen. Damit sind 62 % der Getöteten auf Bundesautobahnen durch Unfälle mit Güterkraftfahrzeugen zu verzeichnen.

Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit
Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in Brandenburg hat sich das MIL 2020 in verschiedenen Bereichen wie Infrastruktur, Technik, Förderprogramme und Kampagnenarbeit engagiert. Dabei wurden insbesondere die Zielgruppen Fahrradfahrende, Kinder und Jugendliche, Fahranfängerinnen und -anfänger sowie Seniorinnen und Senioren in den Fokus genommen. Dies soll auch 2021 fortgeschrieben werden.

Im Bereich Straßeninfrastruktur wurden rund 800.000 Euro in 24 km neu errichtete Schutzplanken investiert. Das zeigt Wirkung: So sind tödliche Baumunfälle auf den zweitniedrigsten Wert seit 1995 zurückgegangen. 2021 sollen deshalb mit Mitteln in Höhe von mehr als drei Millionen Euro entlang von 85 Straßenkilometern neue Schutzplanken entstehen. Daneben wird die Radwegeinfrastruktur weiter ausgebaut. So konnten im vergangenen Jahr 19 km neue Radwege an Landes- und Bundesstraßen in Betrieb gehen. In diesem Jahr sind für den Ausbau und Erhalt von Radwegen an Bundes- und Landesstraßen Mittel in Höhe von rund 20 Millionen Euro vorgesehen. Gleichzeitig soll das Thema Radschnellwege aufgegriffen werden.

Über die Infrastruktur hinaus werden die Radfahrenden noch stärker in die Verkehrssicherheitsarbeit des Landes einbezogen. Ihre Rolle als Verkehrsteilnehmende wurde im Koalitionsvertrag der Landesregierung erheblich gestärkt. Für 2021 steht nun ein kontinuierliches Investitionsvolumen zur Verfügung, um Personal und Kompetenzen auszubauen. 2021 stellt das MIL weitere Weichen für den Radverkehr: So werden die Mobilitäts- sowie die Radverkehrsstrategie ab diesem Jahr überarbeitet.

Insbesondere Fahrradfahrende, aber auch zu Fuß Gehende sollen darüber hinaus mit Blick auf die Prävention von Verkehrsunfällen vom technischen Fortschritt profitieren. Daher investiert das MIL in Abbiegeassistenzsysteme für sichereres Rechtsabbiegen. 2020 hat das MIL ein Pilotprojekt beim Landesbetrieb Straßenwesen gestartet mit dem Ziel, die gesamte Flotte damit auszustatten. Zudem soll es voraussichtlich ab Sommer 2021 ein Landesförderprogramm für die Nachrüstung von Abbiegeassistenzsystemen in Nutzfahrzeugen mit mehr als 3,5 t und Kraftomnibussen mit mehr als neun Sitzen geben.

Eine wichtige Zielgruppe der Verkehrssicherheitsarbeit des Landes sind außerdem die älteren Verkehrsteilnehmenden. Den Seniorinnen und Senioren soll größtmögliche Mobilität und damit Unabhängigkeit sowie gleichzeitig Sicherheit im Straßenverkehr geboten werden. Das MIL unterstützt daher bereits erprobte Instrumente und Konzepte von Trägern der Verkehrssicherheitsarbeit wie dem ADAC, den örtlichen Verkehrswachten und den Fahrschulen, um die Fahrkompetenz älterer Menschen zu erhalten und weiter auszubauen.
Ein weiterer Schwerpunkt des MIL im Bereich Verkehrssicherheit liegt bei Kindern und Jugendlichen. Mit dem Programm zur Schul- und Spielwegesicherung fördert das Ministerium zum Beispiel seit 1992 die Brandenburger Kommunen. 2020 wurden den Städten und Gemeinden für die Schul- und Spielwegesicherung 450.000 Euro zur Verfügung gestellt, 2021 werden es 600.000 Euro sein.

Die Verkehrssicherheitskampagne des Landes Brandenburg „Lieber sicher. Lieber leben.“ bezieht besonders die genannten Zielgruppen, aber auch alle anderen Verkehrsteilnehmenden mit ein. Sie klärt über die Gefahren und Risiken im Straßenverkehr auf und möchte jede Einzelne und jeden Einzelnen zu rücksichtsvollem und aufmerksamem Handeln motivieren. Trotz der Pandemie konnten 2020 mit großem Erfolg Veranstaltungen realisiert werden – sowohl vor Ort, unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen, als auch online, wie das ZeBra-Theater für Schulen. Die digitalen Angebote sollen 2021 weiter ausgebaut und das Augenmerk der Kampagne noch stärker auf die wichtigsten Zielgruppen der Verkehrssicherheitsarbeit gelegt werden.



24.02.2021, Strausberg


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