Kulturschaffender und Touristiker Stephen Ruebsam vermisst mehr unbürokratische Hilfen

Stephen Ruebsam steht auf den menschenleeren Außenanlagen des Altlandsberger Schlossgutes, die an diesem Wochenende eigentlich Ort der großen Saisoneröffnung des Brandenburger Landtourismus hätte sein sollen. Stände mit regionalen Produkten, Schlemmer-Gastronomie, eine große Bühne mit vielen regionalen Künstlern im Programm, am Sonntag hätten zusätzlich Trauben von Radlerinnen und Radlern das Sattelfest auf dem Marktplatz der Residenzstadt bevölkert. Ruebsam ist Chef des Kulturankers Schlossgut, Organisator der großen Feste und Märkte in Altlandsberg und Geschäftsführer des Tourismusvereins
Märkische S5-Region. Wir haben nach den Auswirkungen der Pandemie gefragt.
Das öffentliche Freizeitleben ist ja gerade ausgeschaltet, wie geht es der Branche in der Region?
Während wir in den kleinen Zimmervermietungen und Hotels im berlinnahen Raum ja von Monteuren und Geschäftskunden der Hauptstadt leben, trifft es Unterkünfte und Gastronomie, die an Events oder Hochzeiten hängen, mit voller Wucht. Gemeinsam feiern ist überall verboten, da hagelt es nun seit März Stornierungen. Aber auch die Tagungen und Workshops, mit denen viel Tages- und Wochengeschäft lief, sind ja komplett weggebrochen. Wir haben gerade ein für Veranstalter und Gastronomen eigentlich traumhaftes Wetter, aber die Terrassen und Bühnen müssen leer bleiben. Die To-Go-Auswege sind ein Tropfen auf den heißen Stein, auch für die Kulturschaffenden ist es ein 100%-Verlust. Wenn wir nicht aufpassen, stirbt unser kulturelles Leben, wie wir es kennen.
Greifen die Soforthilfen von Bund und Land?
Die Gastronomen haben im Grunde alle Soforthilfen beantragt, bei vielen sind die ILB-Gelder auch schon angekommen. Aber das reicht bei den meisten gerade mal für einen Monat Pacht oder die Personalkosten eines Monats. Kredite haben dann nicht mehr so viele beantragt, denn in der Gastronomie kannst Du einen Tisch oder ein Bett nur einmal verkaufen, wenn ich im März das Geld für einen Tisch nicht verdiene, kann ich ihn im September nicht doppelt mit Leuten buchen. Die Essen, die Übernachtungen, die Umsätze sind futsch und auch nicht aufzuholen. Und hilft dann auch kein Kredit, den ich zurückzahlen muss. Die Senkung der Umsatzsteuer ab Sommer auf 7% hilft aktuell leider auch nichts, denn weniger Steuern zahle ich ja nur, wenn ich Umsätze habe. Was viele vielleicht nicht wissen: Die derzeitigen Außer-Haus-Verkäufe der Restaurants werden schon immer traditionell mit 7% besteuert, de facto ändert sich also für unsere Gastronomen gerade nichts dadurch.“
Und wie sieht es in der Kultur aus?
Desaströs. Die wenigsten Künstler haben Festanstellungen in Staatsorchestern oder -theatern, die meisten sind freischaffend und fallen damit durch alle Raster der Soforthilfen. Wer keine Firma oder Gewerbe hat, kann keine regelmäßigen Kosten aufführen, die er erstattet bekommen würde. So bleibt nur Hartz-IV mit all den Sanktionen und Prüfungen, gerade bei beispielsweise dem ,Besitz’ von teuren Instrumenten oder bei Autos zum Transport beispielsweise vom Cello zu abgelegenen Kulturorten sind da Konflikte vorprogrammiert. Darum nehmen nun viele ganz andere Jobs an, um über die Runden zu kommen. Eigentlich natürlich vollkommen okay, aber man hat dann keine Zeit mehr für Proben oder einfach den kreativen Freiraum, um Stücke zu schreiben, an Texten zu feilen. Unsere Vielfalt in der Kultur wird extrem ausgedünnt. Und bei den Veranstaltern, also den kleinen Bühnen, den privaten Kinos, den Orten, an denen wir alle so gern gemeinsam feiern, tanzen und genießen, sieht es auch finster aus: Hier ist ja noch nicht einmal die Chance auf Umsätze To-Go, wenn Veranstaltungen wegfallen, fehlen genau 100% der Umsätze. Und da sich die Tage im kommenden Winter ja nicht verdoppeln lassen, kann man ja nicht alles dahinscheiden. Häuser mit vollen Kalendern schieben inzwischen ein ganzes Jahr, die Umsätze der Saison sind damit weg. Das gilt natürlich besonders für Open Airs, die komplett ausfallen. Wenn ich da also höre, dass der Bund sich auch um ,die Kultur’ kümmert, kann ich nur den Kopf schütteln. Außer große Museen und staatliche Bühnen am Leben zu erhalten, sehe ich da nicht viel Hilfe, die auch wirklich den Kulturschaffenden hilft. Klar kann man virtuelle Auftritte streamen – aber wer bezahlt die Gagen? Und das macht mich wirklich böse, auch Kultur ist relevant – seelenrelevant. Schon jetzt vermissen die Menschen schmerzlich den Kontakt zu anderen, da war und ist Kultur immer ein Seelentröster.